Bericht 2015

Unser 1. Rundbrief unmittelbar nach der Erdbebenkatastrophe 2015

Liebe Spender, liebe Freunde und Nepal Interessierte,
Karl-Heinz Wulff und ich sind seit einigen Tagen wieder von unserem Nepal Abenteuer zurück und ich möchte im Folgenden einen Bericht über unsere Arbeit und Erfolge nach den beiden Erdbeben am 25. April und dem 12. Mai 2015 geben.
Zunächst einmal müssen wir beide aber großen Dank aussprechen an alle Spender, jeder hat nach seinen Möglichkeiten zum Gelingen unseres spontanen Unternehmens beigetragen.
Unsere Idee war von Anfang an ausschließlich mit Nepali Partnern zu arbeiten und nur in Nepal hergestellte Produkte zu kaufen.
Die Flugtickets haben wir von unserm Geld bezahlt und in Kathmandu nur in Nepali Familien gewohnt, Karl-Heinz bei der Newari Familie Manandhar und ich bei Karl-Heinz‘ altem Freund, dem Bauunternehmer Bhusal. Bei unserer Ankunft in Kathmandu wurden wir von Bhusals Fahrer abgeholt, einem Gurung (Volksstamm) aus dem Dorf Ghamarchok in der Gemeinde Dudhpokhari („Milchsee") im Westen des Landes nahe dem Epicenter des ersten Bebens.

Der fragte uns, ob wir nicht in seinem Dorf helfen können, von den 120 Häusern im Dorf seien 120 unbewohnbar, auch die Schule sei vollständig zerstört und der Monsun mit 3-monatigem Dauerregen stehe bevor. Das Dorf sei so abgelegen, dass noch keine Regierungsvertreter den Weg dorthin gefunden hätten. Durch Bhusals Verbindungen gelang es uns, 1600 Wellblechdach-Paneele zu kaufen; das knappste Gut überhaupt, wie man sich vorstellen kann. Wir haben für alle Häuser und die Schule für 12.000,-€ Dachbleche gekauft, einen LKW und mehrere Kleintraktoren für den Transport vor Ort gemietet und uns mit Bhusal und seinem Fahrer auf den Weg gemacht. Außerdem hat eine kleine Zeltwerkstatt nach unseren Ideen 16 wasserdichte Großzelte genäht. Bis Besishahar, dem Sitz der Lokalverwaltung, war es eine einfache Fahrt auf Asphaltstraßen. Nachdem wir uns dort eine offizielle Genehmigung für unsere Hilfsaktion besorgt hatten, ging es weiter über 55 km auf einer Piste, die eher nichtexistent als befahrbar war; wir brauchten 9 Stunden, mussten ungeplant auf einem Pass im Regen unter einer Plane schlafen und teilweise mit bloßen Händen Steine rollen, um manche Stellen überhaupt passierbar zu machen. Das letzte Stück war auch für ein Geländefahrzeug unbezwingbar, sodass wir zum Ende mit unseren 40 kg Medikamenten 4 Stunden bergauf zum Dorf steigen mussten.
Der Empfang im Gurung Dorf war sehr herzlich, wir waren per Smartphone längst angekündigt. Aus Wellblechen und Plastikplanen hatten sie eine Schlafstätte für uns errichtet und wir wurden mit leckerem Dal Bhat (Reis mit Linsensoße und Gemüse) verköstigt. In der zerstörten Schule haben wir medizinische Sprechstunden abgehalten, dazu waren die lokalen Mitarbeiter des ebenfalls zerstörten Healthposts eingeladen. Sogar ein Nepali Arzt kam aus einem einen halben Tag entferntem Healthpost mit seinen Mitarbeitern. Dadurch konnten wir eine Vielzahl von Patienten behandeln, die Medikamente aus Deutschland hatten wir zuvor in Kathmandu beim Arzneigroßhändler und bei einem temporären Lager der Aktion Medeor (http://medeor.de) aufgestockt.
Nach endlosen 5 Tagen kamen dann endlich die Dächer an, der LKW hatte sie ans Ende der Straße gebracht dort wurden sie auf 4 Traktoren geladen. Bei jeder Flussdurchquerung musste die Hälfte wieder abgeladen und in einem 2. Durchgang herübergebracht werden. Am Ende den steilen Berg hinauf ging dann gar nichts mehr. Per Handy wurden 10 junge Männer mit Seilen gerufen, die mussten dann jeweils einen Traktor bergauf ziehen!
Zum Abschied gab es ein Fest mit Blumenkränzen, Reden, Geschenken, Gesang und Tanz. Zum ersten Mal nach dem desaströsen Geschehen waren die Dorfbewohner wieder gut gelaunt und glücklich!
Nach unserer Rückkehr nach Kathmandu hat uns CWIN, eine NGO (=Nicht-Regierungs-Organisation, http://cwin.org.np) gebeten, mit ihnen mehrere zerstörte Healthposts im Kathmandutal aufzusuchen und dort Sprechstunden abzuhalten. Nach erneuter Auffüllung unseres Medikamentenvorrats sind wir mit einem kleinen CWIN Team in das Epicenter des 2. Erbebens im Osten des Landes in die abgelegene Dolakharegion gefahren.
Das Dorf Kalinchok in Dolakha ist das Ende der Welt, wörtlich und im übertragenen Sinne. Die Menschen dort gehören dem Thami Stamm an, eine kleine Gruppe mit eigener Sprache und Kultur. Sie sind schon lange von den eher weltläufigen Hindu Kasten an den Rand gedrängt, leben oben am Rand des Tals mit schlechten Böden und zu wenig Ertrag, um eine Familie ernähren zu können. 80 junge Männer von den 600 Bewohnern mussten nach Katar und anderen Golfstaaten gehen, wo sie für gerade mal 200,-$ ausgebeutet werde. Von dem wenigen Geld, das sie nachhause schicken können, zieht Western Union 10% Transfergebühr ein!
In diesem Tal sind alle Häuser ausnahmslos völlig zerstört, die Menschen leben in Stroh- oder Bambushütten oder in viel zu kleinen Zelten, die der indische Tata Konzern gespendet hat. Eine Vielzahl sind Analphabeten und manche besitzen nicht einmal Schuhe! Überdies müssen einige hundert Wohnstätten wegen akuter Erdrutschgefahr dauerhaft geräumt und die Bewohner in Lager umgesiedelt werden.Das Gemeinde-Wassersystem war schon vor dem Erdbeben unbrauchbar, deshalb litten fast alle Patienten an durch schlechtes Wasser verursachten Krankheiten wie blutigen bakteriellen Durchfällen, Erkrankungen durch Amöben und zahlreiche Wurmerkrankungen.
Wir hielten hier für einige Tage Sprechstunde und haben uns entschieden, dass wir dort weiter Hilfe leisten wollen, zumal CWIN dort gut vernetzt ist. Nach unserer Rückkehr nach Kathmandu haben wir Bhusal zum Treuhänder ernannt und ihm einige tausend Euro anvertraut, die er auf Nachfrage an CWIN Projekte in Dolakha weitergeben soll. Vor allem, um das Trinkwassersystem in einen dauerhaft funktionsfähigen Zustand zu versetzen und den Healthpost (von dem nur noch eine Tür aufrecht steht) mit notwendigem Gerät auszustatten.
Über Bhusal haben wir zuletzt für 10.000,-€ für ein weiteres Dorf mit Namen Arkhale im Distrikt Nawalparasi ebenfalls Wellblechdächer gekauft und dorthin transportieren lassen. Wir haben den Entschluss gefasst, unsere Hilfs- und Spendensammelaktion fortzusetzen und vielleicht auch selber einen kleinen Verein zu gründen, um nicht immer die Spenden ausstellende Abteilung des Westfälischen Kinderdorf e.V. zu belasten. Lemgo, 8. August 2015 **Karl-Heinz Wulff, Karl-Ludwig Tracht**

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